Wie zusammenarbeit gelingen kann

Kooperationen und Modelle der Regionalisierung für die Jugendarbeit

Gegenwärtig ist die Arbeit in den Kirchengemeinden und Kirchenbezirken von Veränderungsprozessen geprägt. Diese beeinflussen nicht nur die Konfi-Arbeit, sondern auch die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Diese Arbeitshilfe möchte Kirchengemeinderäten, Bezirksarbeitskreisen, Jugendverbänden, sowie haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in der Entwicklung regio-lokaler Zusammenarbeit eine konzeptionelle Ideensammlung an die Hand geben. Neben der Skizze von verschiedenen Modellen sollen Grundsatzgedanken und Fragen helfen, eigene konzeptionelle Wege zu finden.

Im Gegensatz zur Konfi-Arbeit, die bisher stark auf die Gemeinde vor Ort fokussiert ist, wird die Jugendarbeit über die lokalen Bezüge hinaus regional auf der Ebene von Kirchenbezirken organisiert, wie es in der Bezirksrahmenordnung (BRO) geregelt ist. Diese ermöglicht eine weitere Untergliederung, Organisation und Zusammenarbeit auf Ebene von Distrikten, Verbundkirchengemeinden und Gesamtkirchengemeinden.

Konfirmandenarbeit kennt in der Regel bisher nur punktuelle übergemeindliche Kooperationen und Zusammenarbeit (wie gemeinsame Konfi-Tage, Konfi-Camps und andere Events).

Regio-lokale Kirchenentwicklung kann dazu beitragen, in den kommenden Jahren das regio-lokale Zusammenspiel und die Zusammenarbeit zu verstärken, um dem kirchlichen Auftrag nachzukommen (vgl. Modelle).

Anmerkungen zur Struktur der evangelischen Jugendarbeit im Bereich der württembergischen Landeskirche

Die Jugendarbeit ist in der württembergischen Landeskirche in Bezirken strukturiert, die sich in Distrikte untergliedern kann . Nach der landeskirchlichen Ordnung ist das „Evang. Jugendwerk in Württemberg (…) in Bezirke gegliedert (Bezirksjugendwerke), die in der Regel das Gebiet eines Kirchenbezirks umfassen. Das Bezirksjugendwerk arbeitet selbstständig im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der jeweiligen Kirchenbezirke.“ (§4, Abs. 1 Ordnung EJW).

Diese Untergliederung in geographische Raumschaften der Jugendarbeit liegt in der Hoheit der Delegiertenversammlung des Bezirksjugendwerks (vgl. BRO §4 und BRO §7). Sie kann sog. „Distrikte“ bilden. Es ist zu beachten, dass die Distrikte der Jugendarbeit nicht zwingend deckungsgleich mit „Distrikten“ in einem Kirchenbezirk sein müssen, diese kommen in den Ordnungen der Landeskirche auch nicht vor. Trotzdem werden Räume, wie die Wahlkreise zur Landessynode oder für die kollegiale Vertretung im Pfarramt oft so bezeichnet.

Die Jugendarbeit kennt und operiert mit dem Begriff Distrikt gemäß ihrer Ordnungen. Manchmal sind die Distrikte der Jugendarbeit auch deckungsgleich zu den Räumen, in denen sich Kirchengemeinden übergemeindlich organisieren.

Bezirksjugendwerke sind in der Ausgestaltung ihrer Distriktsstrukturen grundsätzlich frei und nicht an etwaige Distriktsstruktur des jeweiligen Kirchenbezirkes gebunden. Es ist zu beachten, dass eine Neuordnung von Distrikten des Kirchenbezirks oder eine Zuordnung von Jugendreferentinnen und Jugendreferenten zu bestimmten Distrikten bzw. eine Beauftragung mit Distriktsaufgaben nur in Absprache mit den Leitungsgremien des Bezirksjugendwerks geschehen kann.   Ferner ist braucht es eine Geschäftsordnung für die Distriktsarbeit.  Diese „wird von der Delegiertenversammlung erlassen.“ (BRO §4). §4 BRO

 Da der Begriff „Distrikt“ nicht eindeutig verwendet wird, könnte es hilfreich sein, von Kooperationsräumen, Nachbarschaften oder Gestaltungsräumen zu sprechen, die über die lokale Ebene einer Kirchengemeinde hinausgehen.  

Die gegenwärtigen Veränderungsprozesse und geographische Neustrukturierung kirchlicher Arbeit forderen die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf lokaler und regionaler Ebene heraus.

Auf lokaler Ebene ist die Arbeit auf vielfältige Weise herausgefordert. Nicht in allen Orten gibt es Hauptamtliche. Dennoch gibt es vielerorts gute und vitale Formen von Jugendarbeit. Sie leben von Nähe und Gemeinschaft vor Ort. Die lokale Ebene gilt es zu stärken und trotzdem auch die Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinaus in den Blick zu nehmen, um angesichts von Veränderungsprozesse, demographischen und anderen ressourcenbedingten Faktoren weiter gute Arbeit für und mit Kindern und Jugendlichen zu machen und dem Auftrag der Jugendarbeit gerecht zu werden. Es geht um eine regio-lokale Weiterentwicklung der Arbeit.

Gleichzeitig ist die Jugendarbeit durch die Fusionen von Kirchenbezirken in ihrer geographischen Strukturierung in Bezirksjugendwerken und Distrikten herausgefordert.

Wichtig zu beachten ist, dass grundlegende Entscheidungen, beispielsweise zur Strukturierung der Jugendarbeit im (Kirchen-)Bezirk und in Distrikten nicht von Bezirkssynoden, sondern durch die Delegiertenversammlung des jeweiligen Bezirksjugendwerks getroffen werden (vgl. BRO §7). Die Fusion von Kirchenbezirken hat also nicht automatisch die Fusion der davon betroffenen Bezirksjugendwerke zur Folge. Entgegen dem Grundsatz, dass jeder Kirchenbezirk ein Bezirksjugendwerk hat, kann ein fusionierter Kirchenbezirk auch mehrere Bezirksjugendwerke und Untergliederung in Distrikte haben. Das in der BRO in § 1 Absätze 1-4 verankerte Zuordnungskriterium im Sinne von „Zum Bezirksjugendwerk gehören alle Gruppierungen im Bereich des Kirchenbezirks“ bezieht sich bei fusionierten Kirchenbezirken sinngemäß auf den Bereich der jeweiligen Teilgebiete/Altbezirke.  

Die Jugendarbeit in Bezirken und Distrikten findet zwar über die Ordnungen eine Strukturierung. Sie ist aber nicht Verwaltungseinheit wie ein Kirchenbezirk, sondern ein gewachsenes und vitales Beziehungsgefüge innerhalb bestimmter Raumschaften wie Distrikten, Sozialräumen und in Orten – so ist sie ein Kooperationsraum. Auch auf der lokalen Ortsebene organsiert sich die Arbeit mit Kindern- und Jugendlichen vielfältig. Orientierung am Sozialraum, Zusammenarbeit im Distrikt und Kooperationen zwischen Bezirksjugendwerken und anderen Trägern und Verbänden der Arbeit mit Kindern- und Jugendlichen gehören schon lange zur Arbeitsweise von Jugendarbeit. Eine rein parochiale Orientierung von Jugendarbeit gibt es mancherorts, wenn auch nicht in der Fläche. Allerdings gibt es ausgehend von der Bezirksrahmenordnung die Strukturierung der Arbeit auf Bezirksebene, in Distrikten und Raumschaften, sowie vor Ort auf der Ebene von Kirchengemeinden.

Über das hinaus, was zur lokalen Arbeit regional gewachsen ist, besteht angesichts der gegenwärtigen Veränderungsprozesse die Chance, die zukünftige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lokal und regional zu gestalten.

Im Bereich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kann der Same regio-lokaler Kirchenentwicklung auf fruchtbaren Boden fallen, wenn er nicht schon längst in regio-lokale Zusammenarbeit aufgegangen ist. Lokal, also im Nahbereich, mit Gruppen und Kreisen vor Ort und regional im Distrikt, Kooperationsraum und auf Bezirksebene in Gremien, Projekten, Freizeiten sowie auch Gruppen und Kreisen. Viele Bezirksjugendwerke arbeiten seit vielen Jahren bereits so. Aus dieser Praxis heraus lassen sich Modelle ableiten, die im Folgenden zusammengestellt sind. Diese können als Anregung dienen, konzeptionelle Schritte zu gehen und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Bezirken, Distrikten bzw. Kooperationsräumen und in Orten, regional und lokal weiterzuentwickeln.

Da der Begriff Distrikt nicht einheitlich verstanden wird, könnte der Begriff Kooperationsraum eine Hilfe und Chance sein, zu beschreiben, was über den Ort hinaus einen über die Gemeinde hinaus erweiterten geographischen Raum in den Blick kommt. Ein Raum, in dem Kooperation stattfindet ist ein Gestaltungsraum, in dem Kindern, Jugendliche und jungen Erwachsenen sowie ihre Bedürfnisse im Blick sind. Dieser Gestaltungsraum kann geographisch, organisational, orientiert an den zugehörigen Kirchengemeinden, Sozialräumen und auch mit Blick auf Verbände, Organisationen und andere Kooperationspartner gefasst werden.

Im Folgenden wird vereinfacht von „lokal“ und „regional“ gesprochen. Gemeint ist dabei lokal vor Ort in einer (Verbund-)Kirchengemeinde. Unter Region kann sowohl ein Distrikt oder im weiteren Sinne ein Kirchenbezirk  verstanden werden, je nachdem, wie weit man das Feld betrachten möchte.

Die Region als Gestaltungsraum lässt auch Kooperationen in Raumschaften und Projekten zu. Eine Region kann auch über die Grenzen von Kirchenbezirken hinaus eine sinnvolle Einheit sein (wenn z.B. einzelne Orte über Kirchenbezirksgrenzen miteinander arbeiten und kooperieren).

Die Region als Gestaltungsraum trägt auch sozialräumlichen Aspekten und der Mobilität oder Einzugsgebieten von Schulen Rechnung. Schließlich gilt es auch eine Größe zu finden, die überschaubar und in der die Arbeit auch leistbar ist.  

Jede Zusammenarbeit, die lokale,   die regionale braucht zum nachhaltigen Gelingen Vertrauen. Vertrauen kann nicht beschlossen oder verordnet werden. Es wächst im gemeinsamen Gestalten und Erleben. Und das braucht Zeit.

Ist eine regionale Zusammenarbeit angedacht, braucht es nicht nur Vertrauen als Basis und Zeit als Faktor, sondern auch eine Verständigung über die Zusammenarbeit und deren gewünschten Grad.

Eine Verständigung, was leistbar und angestrebt ist, steht am Anfang. Je nachdem, wie intensiv die Zusammenarbeit ist und werden soll, kann von Stufen regionaler Zusammenarbeit gesprochen werden.

Inhaltliche Gesichtspunkte:

  1. Was treibt uns an?
  2. Was wollen wir den Kindern und Jugendlichen ermöglichen?
  3. Was ist der Gewinn für die jungen Menschen und unsere kirchliche Arbeit, wenn wir regional zusammenarbeiten?
  4. Welche Themen und Fragen beschäftigen die jungen Menschen (in unserer Region, Raumschaft)?
  5. Wie können junge Menschen gut in den Prozess einbezogen werden?
  6. Welche inhaltlichen und örtlichen Möglichkeiten bietet der regionale Sozialraum?
  7. Welche Prioritäten sind uns wichtig, wenn wir die Bedürfnisse und Lebenswelt der jungen Menschen sehen und das mit unserem Auftrag als Kirche abgleichen?

 

Verknüpfung in der Region:

  1. In welchen Organisationsformen und wo findet Konfi-Arbeit (auch Konfi3), Kindergottesdienst oder Kindern- und Jugendchorarbeit statt und wie kann das mit der Kindern- und Jugendarbeit verknüpft werden?
  2. In welcher Weise kann die Arbeit mit Kindern und Familien sinnvoll verknüpft sein (z.B. Kirche Kunterbunt, Kinder- und Familienzentren)?
  3. Welche anderen Arbeitsformen mit jungen Menschen gibt es z.B. in Diakonie, Jugendhilfe, Schulen, Kindern- und Familienzentren, Ganztagesangebote, Jugendzentren…
  4. Welche Verbände engagieren sich noch in der Region (Pfadfinder, SWD-EC, Apis, SV…)?
  5. Wie kann ökumenisch zusammengearbeitet werden (katholische Verbände, methodistische Jugend, …)?
  6. Gibt es noch andere Partner, mit denen punktuell, projektbezogen eine Zusammenarbeit sinnvoll sein könnte (Vereine, Initiativen, Kommune, …)?
  7. Ist auch an eine interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit gedacht?

 

Strukturelle Fragen:

  1. Wie viele Kindern, Jugendliche und junge Erwachsene gibt es auf regionaler Ebene? Wo leben sie, wo gehen sie zur Schule und wie ist die Prognose für die Zukunft?
  2. Welche lokalen Angebote gibt es, was läuft gut? Könnten diese Angebote auch anderen in der Region hilfreich sein? Nicht überall muss vor Ort dasselbe Angebot gemacht werden. Kann ein Angebot auch multipliziert werden?
  3. Welche personellen Ressourcen (haupt- und ehrenamtlich) gibt es? Welche Räume und andere Ressourcen stehen an welchen Orten zur Verfügung?
  4. Wie versteht sich die Region, Raumschaft, im Verhältnis von Kirchengemeinde(n), Distrikt und (Kirchen)bezirk? Ist es eher die neue praktische Ebene, im Sinne einer großen Gemeinde, oder eher eine Vernetzungs- und Unterstützungsebene wie seither die Distrikts- oder Bezirksebene? Oder entsteht etwas ganz anderes? Ist bspw. an eine Zusammenarbeit in einer Region über die Grenzen von Kirchenbezirken angedacht. Kooperiert Jugendarbeit mehrerer Distrikte?
  5. Wie können organisatorische/finanzielle Aspekte einfach gehalten werden (z.B. gemeinsamer Haushalt für die regionale Arbeit in einer Gemeinde der Region oder zentrale Verwaltung im Bezirk)?
  6. Wie kann man Ehrenamtliche, Jugendgremien oder Kirchengemeinderäte in den Prozess miteinbeziehen, ohne sie zu überfordern?
  7. Gibt es Beschlüsse, die herbeigeführt werden müssen, auf Ebene der Kirchengemeinde, Jugendwerk vor Ort, Bezirksjugendwerk? Müssen Distrikte gebildet und Geschäftsordnungen erneuert oder neu formuliert werden? Braucht es Kooperationsvereinbarungen?

Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen lebt von den Grundprinzipien der Jugendverbandsarbeit wie Freiwilligkeit und Beteiligung. Junge Menschen können sich einbringen, fühlen sich willkommen und ernstgenommen.

Partizipation und das Ehrenamt sind die DNA Die Grundhaltung von Hauptberuflichen ist geprägt von einer Beteiligung auf Augenhöhe, eine Stärkung der Ehrenamtlichen und Verantwortungsübertragung.

Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen findet innerhalb von Strukturen, aber vor allem in einem Beziehungsgefüge statt. Beziehungsarbeit ist das A und O. Ein gemeinsames Konzept ermöglicht gute Begleitung und bewusste Übergänge in sensiblen Altersphasen und biographischen Schwellen (z.B. Übertritt an weiterführende Schule, Pubertät, Einstieg ins Berufsleben…).

Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist immer ganz Gemeinde, auch wenn sie außerhalb von Kirchenräumen oder in scheinbar nicht-geistlichen Formaten stattfindet.  In ihr geschieht Verkündigung, Kommunikation des Evangeliums in Wort und Tat. Sie ist immer Gemeinde und Kirche Jesus Christi auf Zeit und ist weder Inkulturationsort noch Rekrutierungsanstalt zukünftiger Kirchensteuerzahler:innen. Im Bereich der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen findet ganzheitliche religiöse Bildung statt.

Die jungen Menschen erleben Kirche vielfältig und passend zu ihrer Lebenswirklichkeit, altersgemäß, (milieu-)sensibel. Die Region ermöglicht eine große Bandbreite an Zugängen (örtlich, inhaltlich und ästhetisch) und bietet die Möglichkeit andere Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Erwachsene kennenzulernen und Vielfalt zu erfahren. Das spricht die jungen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit an.

Die Gruppe der Gleichaltrigen (Peers) steht als Prägungsort für junge Menschen im Mittelpunkt der Arbeit. Die Peergroup orientiert sich nicht an parochialen Strukturen, sondern an Sozialräumen junger Menschen.

Jugendliche entdecken, dass ihre Fragen und Themen vorkommen und mit dem Glauben in Verbindung stehen.

Mitarbeitende leben vor, was sie predigen: Gemeinschaft. Die Zusammenarbeit in der Region wird von allen Beteiligten als positiv gestaltet. Teamarbeit, gemeinsames Arbeiten für und mit jungen Menschen verbindet, Miteinander wird großgeschrieben. Die Andersartigkeit in Glaubensformen und Jugendarbeitstraditionen werden als Bereicherung wertgeschätzt und nicht gegeneinander ausgespielt.

(Nach einer Vorlage des Amtes für Jugendarbeit der Evang.-Luth. Kirche in Bayern. Mit bestem Dank für das Teilen.)